Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der landläufigen Meinung ist das Kernproblem von Touchscreens im Auto nicht nur die visuelle Ablenkung, sondern ein fundamentaler Bruch der kognitiven Ergonomie.

  • Die Bedienung zwingt das Gehirn in einen mentalen „Fehler-Modus“, der die kognitive Last dramatisch erhöht – oft mehr als die Handynutzung.
  • Das Fehlen von haptischem Feedback eliminiert das Muskelgedächtnis und erfordert eine ständige visuelle Bestätigung für einfachste Aktionen.

Empfehlung: Bewerten Sie Fahrzeug-Interfaces nicht nach ihrer Ästhetik, sondern nach ihrer Fähigkeit, eine sichere Bedienung ohne visuelle Abhängigkeit zu ermöglichen. Physische Tasten für Kernfunktionen sind kein Rückschritt, sondern ein essenzielles Sicherheitsmerkmal.

Die glatten, leuchtenden Oberflächen moderner Auto-Cockpits versprechen eine futuristische und aufgeräumte Ästhetik. Nahezu jede Funktion, von der Klimaanlage bis zur Sitzheizung, ist heute in verschachtelten Menüs auf einem zentralen Touchscreen untergebracht. Für viele Autofahrer, die jahrelang an das blinde Ertasten von Drehreglern und Knöpfen gewöhnt waren, fühlt sich dieser Wandel jedoch nicht wie ein Fortschritt an, sondern wie eine Quelle ständiger Unsicherheit. Die gängige Erklärung, Hersteller würden aus Kostengründen oder für ein modernes Design auf physische Bedienelemente verzichten, greift dabei zu kurz.

Das eigentliche Problem liegt tiefer und ist gefährlicher, als es auf den ersten Blick scheint. Es geht nicht nur darum, den Blick für ein paar Sekunden von der Straße zu nehmen. Die Bedienung eines Touchscreens während der Fahrt ist ein systematischer Angriff auf unsere kognitive Ergonomie. Sie sabotiert tief verankerte mentale Prozesse, die für eine sichere Fahrzeugführung unerlässlich sind. Statt einer intuitiven Handlung erzwingt die Touch-Oberfläche einen komplexen Zyklus aus Suchen, Zielen, Ausführen und visuellem Bestätigen – eine enorme mentale Last, die das Gehirn in einen ineffizienten und gefährlichen Fehler-Modus versetzt.

Dieser Artikel analysiert aus der Perspektive eines Interface-Designers, warum diese Entwicklung ein fundamentaler Designfehler ist. Wir werden die konkreten Gefahren beleuchten, von der Blendung durch Displays bis hin zum Totalausfall, und aufzeigen, warum das Fehlen von haptischem Feedback weit mehr als nur eine Komforteinbuße darstellt. Es wird deutlich, dass die Rückkehr zu physischen Tasten für Kernfunktionen kein nostalgischer Wunsch, sondern eine dringende Notwendigkeit für die Fahrsicherheit ist.

Um die vielschichtigen Probleme und Lösungen rund um moderne Fahrzeug-Cockpits zu verstehen, gliedert sich dieser Leitfaden in acht zentrale Bereiche, die jeweils einen spezifischen Aspekt der Interaktion zwischen Fahrer und Maschine beleuchten.

Inhaltsverzeichnis: Die Risiken digitaler Cockpits im Detail

Blendung im Innenraum: Wie stellt man digitale Tachos ein, um die Dunkeladaption der Augen nicht zu stören?

Eines der ersten Probleme, das Fahrer bei Nachtfahrten mit modernen Autos bemerken, ist die Blendung durch die eigenen Instrumente. Während analoge Tachos eine dezente Hintergrundbeleuchtung hatten, strahlen digitale Cockpits wie kleine Fernseher. Dies beeinträchtigt die Dunkeladaption der Augen – die Fähigkeit, bei geringem Licht Kontraste und Objekte in der Ferne zu erkennen. Das Auge passt sich an die hellste Lichtquelle im Sichtfeld an, was in diesem Fall das Armaturenbrett ist. Die Straße davor erscheint dunkler und Details gehen verloren. Experten bestätigen, dass allein durch die Lichtfarbe von LEDs die Sichtbarkeit bei Nacht um bis zu 20 Prozent beeinträchtigt werden kann. Ein zu hell eingestelltes Display reduziert also aktiv die Fähigkeit des Fahrers, rechtzeitig auf unbeleuchtete Hindernisse oder Personen zu reagieren.

Die Lösung liegt in der bewussten Konfiguration des Systems. Die meisten digitalen Cockpits bieten einen Nachtmodus, der die Farben invertiert (helle Schrift auf schwarzem Grund) und die Helligkeit automatisch reduziert. Oft ist diese Automatik jedoch nicht ausreichend. Fahrer sollten die manuelle Helligkeitsregelung nutzen und das Display auf die niedrigstmögliche, aber noch gut lesbare Stufe dimmen. Es geht darum, eine Balance zu finden, bei der die Informationen ablesbar bleiben, das Display aber nicht zur primären Lichtquelle im Sichtfeld wird. Eine korrekte Einstellung ist keine reine Komfortfrage, sondern ein direkter Beitrag zur Sicherheit, da sie die Augen des Fahrers dort fokussiert, wo sie hingehören: auf die dunkle Straße voraus.

Schwarzer Bildschirm auf der Autobahn: Was tun, wenn Tacho und Navi während der Fahrt ausfallen?

Der Albtraum jedes Fahrers eines modernen Autos: Man ist mit 130 km/h auf der Autobahn unterwegs, und plötzlich wird der zentrale Bildschirm schwarz. Kein Tacho, keine Navigation, keine Warnleuchten. Dieser Totalausfall ist die ultimative Konsequenz der Zentralisierung aller Funktionen auf einem einzigen Display. Während bei älteren Autos ein defekter Tacho ein isoliertes Problem war, führt ein Software- oder Hardwarefehler im Infotainment-System heute zum kompletten Informationsverlust. In diesem Moment ist der Fahrer nicht nur „blind“ bezüglich seiner Geschwindigkeit, sondern verliert auch den Zugriff auf essenzielle Fahrzeugfunktionen. Die Bedienung der Klimaanlage oder sogar der Scheibenwischer kann unmöglich werden, was die Situation zusätzlich verschärft.

Dunkles Autodisplay während der Fahrt mit verschwommener Straße im Hintergrund

Die rechtlichen Konsequenzen solcher Designfehler sind gravierend. Ein Urteil des OLG Karlsruhe machte dies deutlich, als ein Tesla-Fahrer verurteilt wurde, der bei Regen von der Straße abkam, während er versuchte, die Scheibenwischer-Intervallschaltung über den Touchscreen anzupassen. Laut dem Gerichtsurteil stellt die Bedienung solcher Menüs eine unzulässige Ablenkung dar, die mit einem Fahrverbot geahndet werden kann. Im Falle eines plötzlichen Bildschirmausfalls ist das richtige Verhalten entscheidend: Ruhe bewahren, Warnblinker an (sofern es eine physische Taste dafür gibt), Geschwindigkeit vorsichtig an den Verkehrsfluss anpassen und so schnell wie möglich sicher anhalten. Das primäre Ziel ist es, das Fahrzeug aus der Gefahrenzone zu bringen, ohne dabei auf digitale Anzeigen angewiesen zu sein.

Fingerabdrücke und Kratzer: Welches Tuch ruiniert die Entspiegelungsschicht moderner Displays nicht?

Ein scheinbar triviales, aber im Alltag präsentes Problem von Touchscreens ist ihre Anfälligkeit für Verschmutzungen und Beschädigungen. Fingerabdrücke, Staub und Schlieren reduzieren nicht nur die Lesbarkeit, sondern können bei direkter Sonneneinstrahlung auch zu störenden Lichtreflexionen führen. Der intuitive Griff zum Papiertaschentuch oder zum Ärmel des Pullovers ist jedoch der größte Fehler, den man machen kann. Moderne Displays sind oft mit einer empfindlichen Entspiegelungsschicht versehen, die das Ablesen bei Helligkeit erleichtern soll. Raue Materialien wie Papierfasern oder grobe Stoffe können diese Schicht dauerhaft zerkratzen und Mikrokratzer verursachen, die unwiderruflich sind.

Auch chemische Reiniger sind tabu. Alkohol- oder ammoniakhaltige Glasreiniger, wie sie im Haushalt üblich sind, können die Beschichtung angreifen und zu matten, unansehnlichen Flecken führen. Die professionelle und sichere Reinigung erfordert eine sanfte Methode. Experten raten zu einem zweistufigen Vorgehen:

  1. Zuerst wird das Display mit einem sauberen, nebelfeuchten Mikrofasertuch ohne großen Druck abgewischt. Das Tuch sollte nur so feucht sein, dass es den Schmutz aufnimmt, aber keine Wassertropfen hinterlässt.
  2. Anschließend wird die Restfeuchtigkeit mit einem zweiten, trockenen und fusselfreien Mikrofasertuch sanft nachpoliert.

Dieser simple Prozess stellt sicher, dass die empfindliche Oberfläche intakt bleibt und die Lesbarkeit des Displays langfristig erhalten wird. Die Pflege des Interfaces wird so zu einer weiteren, regelmäßigen Aufgabe, die bei alten Cockpits mit physischen Knöpfen schlichtweg nicht existierte.

Zu kleine Schrift: Lassen sich digitale Cockpits so konfigurieren, dass sie auch mit Gleitsichtbrille lesbar sind?

Ein weiterer Aspekt, bei dem Interface-Designer die Realität der Nutzer oft ignorieren, ist die Barrierefreiheit. Insbesondere für Fahrer mit Gleitsichtbrille wird das digitale Cockpit zur ergonomischen Herausforderung. Gleitsichtgläser haben unterschiedliche Sehzonen: Der obere Bereich ist für die Ferne (Straße), der untere für die Nähe (Lesen) optimiert. Ein analoger Tacho befand sich in einer festen Entfernung und war meist im mittleren Sehbereich gut ablesbar. Digitale Displays hingegen präsentieren eine Fülle kleiner Texte und Symbole in variablen Abständen, oft am unteren Rand des Bildschirms – genau dort, wo der Übergangsbereich der Brille liegt. Der Fahrer muss den Kopf unnatürlich heben oder senken, um eine klare Sicht zu bekommen, was zu einer verkrampften Haltung und erneuter Ablenkung führt.

Die Konfigurationsmöglichkeiten sind leider oft stark begrenzt. Während einige Premium-Hersteller verschiedene Layouts für das digitale Kombiinstrument anbieten, bei denen man etwa eine große Kartenansicht oder reduzierte Anzeigen wählen kann, ist die Skalierung der Schriftgröße selbst eine seltene Funktion. Der Fahrer ist meist an die vom Designer vorgegebene Typografie gebunden. ADAC-Tests zur Bedienbarkeit moderner Fahrzeuge zeigen regelmäßig auf, wie schlecht viele Systeme auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzer eingehen, was zu gefährlicher Ablenkung führt. Im Idealfall sollten Cockpits nicht nur verschiedene Ansichten („Skins“), sondern auch anpassbare Schriftgrößen und Kontrastmodi bieten, um eine gute Lesbarkeit für alle Alters- und Sehstärkegruppen zu gewährleisten. Solange dies nicht Standard ist, bleibt vielen Fahrern nur, vor dem Kauf genau zu prüfen, ob das Interface mit ihrer individuellen Sehhilfe kompatibel ist.

Zen-Modus im Auto: Wie reduziert man die Informationsflut auf das gesetzliche Minimum?

Moderne Cockpits neigen zur Informationsüberflutung. Börsenkurse, Wettervorhersagen, eingehende Nachrichten – die Menge an Daten, die auf den Fahrer einprasselt, steigert die kognitive Last enorm. Jede visuelle Information, die nicht direkt für die Fahraufgabe relevant ist, ist potenziell eine Ablenkung. Aus der Sicht des Interface-Designs ist dies ein Kardinalfehler: Das System sollte den Nutzer entlasten, nicht belasten. Genau hier setzt die Idee des „Zen-Modus“ an, den einige Hersteller bereits anbieten. Ziel ist es, die Anzeige auf das gesetzlich und fahrdynamisch Notwendige zu reduzieren: Geschwindigkeit, Warnleuchten und eventuell grundlegende Navigationshinweise.

Reduziertes digitales Armaturenbrett mit nur essentiellen Informationen

Die Notwendigkeit einer solchen Reduktion wird durch Studien untermauert. Untersuchungen zeigen, dass die Bedienung eines Touchscreens während der Fahrt die Reaktionszeit um erschreckende 57 Prozent verlängern kann. Das ist signifikant gefährlicher als die verbotene Handynutzung, die zu einer Verlängerung von 46 Prozent führt. Ein Zen-Modus bekämpft dieses Problem an der Wurzel, indem er die visuelle „Lärmbelästigung“ minimiert. Der Fahrer wird nicht mehr durch irrelevante Pop-ups oder bunte Grafiken abgelenkt, und die mentale Kapazität wird vollständig für die Fahraufgabe freigegeben. Wenn ein Fahrzeug keinen dedizierten Zen-Modus anbietet, können Fahrer oft eine ähnliche Wirkung erzielen, indem sie eine minimalistische Ansicht im digitalen Tacho wählen und den zentralen Infotainment-Bildschirm manuell ausschalten. Weniger ist in diesem Kontext immer mehr Sicherheit.

Wie erkennt man durch peripheres Sehen Fußgänger am Straßenrand 1 Sekunde früher?

Das periphere Sehen ist eine Superkraft des menschlichen Gehirns. Es ist darauf spezialisiert, Bewegungen und Veränderungen am Rande unseres Sichtfeldes zu erkennen, ohne dass wir den Blick direkt dorthin richten. Für Autofahrer ist diese Fähigkeit überlebenswichtig, um einen Ball, der auf die Straße rollt, oder einen Fußgänger, der zwischen geparkten Autos hervortritt, frühzeitig wahrzunehmen. Doch diese Fähigkeit funktioniert nur, wenn die zentrale visuelle und kognitive Kapazität nicht durch eine andere Aufgabe blockiert ist. Genau das passiert, wenn der Fahrer versucht, eine Funktion auf einem Touchscreen zu finden. Der Blick wird auf den Bildschirm fokussiert, und das Gehirn konzentriert sich auf die Mikromotorik der Fingerbewegung. In diesem Moment ist das periphere Sehen quasi abgeschaltet.

Dieser Zustand wird oft als „Blindflug“ bezeichnet. Der Unfallforscher Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen bringt es auf den Punkt:

Der Fahrer wird mitunter gezwungen, sich während der Fahrt auf dem Touchscreen durchzuklicken, um bestimmte Funktionen zu aktivieren, dabei vergeht Zeit, die das Auto im Blindflug zurücklegt.

– Prof. Michael Schreckenberg, Universität Duisburg-Essen, Unfallforscher

Die dabei zurückgelegte Strecke wird dramatisch unterschätzt. Bereits zwei Sekunden Ablenkung bei einer Richtgeschwindigkeit von 130 km/h bedeuten einen Blindflug von rund 70 Metern. Das ist eine Strecke, auf der unzählige unvorhergesehene Ereignisse stattfinden können. Physische Tasten umgehen dieses Problem, da sie über das Muskelgedächtnis bedient werden können. Die Hand findet den richtigen Knopf, das haptische Klicken bestätigt die Ausführung, und der Blick sowie die kognitive Aufmerksamkeit bleiben auf der Straße – und das periphere Sehen bleibt aktiv, um Gefahren frühzeitig zu erkennen.

Innenraumfilter tauschen: Wann wird die Klimaanlage zur Bakterienschleuder?

Während die Gefahren digitaler Interfaces offensichtlich sind, lauern im Auto auch unsichtbare Risiken. Die Klimaanlage, ein Garant für Komfort, kann sich bei mangelnder Wartung in eine ernsthafte Gesundheitsgefahr verwandeln. Der feuchte und dunkle Verdampfer der Anlage ist ein idealer Nährboden für Bakterien, Schimmelpilze und andere Keime. Diese werden dann über die Lüftung direkt in den Innenraum und in die Atemwege der Insassen geblasen. Ein modriger, muffiger Geruch beim Einschalten der Klimaanlage ist bereits ein alarmierendes Zeichen dafür, dass sich ein Biofilm auf dem Verdampfer gebildet hat. Laut einer Untersuchung des VDI in Zusammenarbeit mit dem ZDK ist die Raumluft in rund jedem dritten Pkw grenzwertig oder stark mit Keimen belastet.

Die wichtigste Schutzmaßnahme ist die regelmäßige und korrekte Wartung, die weit über das bloße Nachfüllen von Kältemittel hinausgeht. Der Innenraumfilter (auch Pollenfilter genannt) fängt Staub, Pollen und Schadstoffe ab, bevor sie in den Innenraum gelangen. Ist er gesättigt, verliert er seine Wirkung und kann selbst zur Keimquelle werden. Eine professionelle Wartung umfasst daher nicht nur den Filterwechsel, sondern auch die Desinfektion des Verdampfers, um den bestehenden Bakterienfilm zu entfernen.

Checkliste zur Vermeidung von Keimen in der Klimaanlage

  1. Filterwechsel: Tauschen Sie den Innenraumfilter spätestens alle 12 Monate oder nach Herstellerangabe.
  2. Professionelle Desinfektion: Lassen Sie das Klimasystem jährlich in einer Fachwerkstatt professionell reinigen und desinfizieren.
  3. Früherkennung: Handeln Sie sofort bei modrigem Geruch – dies ist kein kosmetisches Problem, sondern ein klares Warnsignal.
  4. Vorausschauende Nutzung: Schalten Sie die Klimaanlage etwa 5 Minuten vor Fahrtende aus, lassen Sie aber das Gebläse weiterlaufen. So kann der Verdampfer trocknen und die Keimbildung wird reduziert.
  5. Vorsicht bei DIY-Lösungen: Vermeiden Sie „Klick-Dosen“ aus dem Zubehörhandel. Sie überdecken oft nur den Geruch, ohne die Ursache – den Bakterienfilm – zu beseitigen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die kognitive Last bei der Touchscreen-Bedienung ist enorm und verlängert die Reaktionszeit um bis zu 57%, was gefährlicher ist als die Handynutzung.
  • Ein plötzlicher Ausfall des zentralen Displays führt zum Totalverlust essenzieller Informationen wie der Geschwindigkeit und kann rechtliche Konsequenzen haben.
  • Sicherheitsorganisationen wie Euro NCAP reagieren und fordern ab 2026 wieder physische Bedienelemente für Grundfunktionen, um die höchste Sicherheitsbewertung zu erhalten.

Notbremsassistent und Fahrradträger: Warum bremst das Auto beim Rückwärtsfahren, obwohl der Weg frei ist?

Moderne Assistenzsysteme sind darauf ausgelegt, Unfälle zu verhindern, doch manchmal führen sie zu unerwarteten und frustrierenden Situationen. Ein klassisches Beispiel ist der Notbremsassistent für den Rückwärtsverkehr in Kombination mit einem montierten Fahrradträger. Der Fahrer möchte rückwärts ausparken, der Weg ist frei, doch das Auto leitet abrupt eine Vollbremsung ein. Der Grund: Die Ultraschallsensoren am Heck erkennen den Fahrradträger als Hindernis und interpretieren die Situation als drohende Kollision. Das System tut genau das, wofür es programmiert wurde, aber es fehlt ihm der Kontext, um zwischen einem echten Hindernis und einem vom Fahrer angebrachten Zubehör zu unterscheiden.

Dieses Problem verdeutlicht eine größere Herausforderung im Zusammenspiel von Mensch und Maschine: die Starrheit der Automatisierung. Während ein Mensch die Situation sofort versteht, folgt der Computer blind seinen Algorithmen. In den meisten Fahrzeugen lässt sich der hintere Parkassistent oder der Notbremsassistent temporär deaktivieren, oft jedoch nur über ein Untermenü im Infotainment-System. Der Fahrer muss also vor jeder Rückwärtsfahrt mit Fahrradträger daran denken, das System auszuschalten und danach wieder zu aktivieren. Vergisst er es, wird er durch eine unnötige Bremsung erschreckt. Vergisst er, es wieder einzuschalten, fehlt ihm der Schutz bei der nächsten regulären Rückwärtsfahrt. Es ist ein weiteres Beispiel, bei dem eine gut gemeinte Technologie durch eine umständliche Bedienung zu einer potenziellen Fehlerquelle wird.

Erfreulicherweise gibt es Anzeichen für ein Umdenken in der Branche. Die Sicherheitsorganisation Euro NCAP hat angekündigt, dass für eine Fünf-Sterne-Bewertung ab 2026 wieder physische Bedienelemente für Grundfunktionen wie Blinker, Warnblinker oder Hupe vorhanden sein müssen. Dies ist ein klares Signal an die Hersteller, dass die reine Fokussierung auf Touchscreens die Sicherheit nachweislich gefährdet. Es ist die Anerkennung, dass bestimmte Funktionen einen sofortigen, blinden und unmissverständlichen Zugriff erfordern – eine Anforderung, die nur ein physischer Knopf erfüllen kann.

Die Debatte um Touchscreens versus Tasten ist mehr als eine Frage des Geschmacks. Es ist eine fundamentale Sicherheitsfrage. Als Fahrer und Konsumenten haben wir die Macht, den Wandel zu beeinflussen. Fordern Sie bei Ihrer nächsten Fahrzeugwahl bewusst Schnittstellen, die für den Menschen und nicht nur für das Auge entworfen wurden. Ein gutes Design ist ein sicheres Design.

Geschrieben von Elena Dr. Richter, Promovierte Entwicklungsingenieurin für Fahrzeugelektronik und Assistenzsysteme. Expertin für E-Mobilität, Konnektivität und die Digitalisierung des modernen Cockpits.